Rat 28.1.2020 Haushaltsrede der Fraktion Die Grünen 6. Februar 2020 Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Rat, werte Gäste, Wir lehnen als grüne Fraktion den Haushaltsentwurf der Verwaltung ab aus drei Gründen: • Er birgt mit Verweis auf den knappen geplanten Überschuss ein hohes Risiko. • Es werden teilweise – und mit erheblicher Auswirkung auf das Haushaltsergebnis – die falschen Prioritäten gesetzt: Die Aufwendungen für die Sportarena Wandhofen und für das Verkehrsleitsystem sind in der geplanten Höhe nicht annähernd zu vertreten. Es kommt hinzu, dass die Reihenfolge, in der bestimmte prioritäre Maßnahmen umgesetzt werden sollen, ebenfalls nicht zu vertreten ist: Die pflichtige Aufgabe „Sanierung der Theodor-Fleitmann-Gesamtschule“ muss Vorrang haben vor der freiwilligen Aufgabe „Sportarena Wandhofen“. • Es werden gleichzeitig wichtige Bereiche der städtischen Daseinsvorsorge und der städtischen Pflichtaufgaben nicht angemessen eingeplant. Hier sind – nicht nur aus grüner Sicht – zu nennen: Klimawandel und Klimaanpassung, u.a. Aufwendungen für eine nachhaltige Mobilität, für das Wildnisentwicklungsgebiet im Schwerter Wald, für mehr Grün insbesondere in der Innenstadt. Was wir mit Überzeugung mittragen, sind die mittelfristigen Investitionen in die Pflichtaufgabe „Schulen“, auch wenn wir in diesem Bereich ebenfalls Kritik äußern müssen: Die Theodor-Fleitmann-Gesamtschule ist selbst im 4. Jahr nach ihrer Gründung im kommenden Haushalt zwar mit Planungsmitteln eingestellt; in der mittelfristigen Finanzplanung sind jedoch noch keine der absehbar erheblichen notwendigen Investitionen für diese Schule eingeplant. Wir vermuten angesichts der zahlreichen Gespräche der letzten Wochen, dass der von der Verwaltung vorgelegte Haushaltsentwurf in der heutigen Sitzung eine Mehrheit finden wird. Wir beantragen für die abschließende Abstimmung über die Drucksache IX/1037 5.Ergänzung unter TO 5.5 getrennte Abstimmung über die 4 einzelnen Beschlusssätze, um unsere differenzierte Position zum Haushalt umsetzen zu können. Ich will die o.g. Gründe für unsere Ablehnung des Haushaltsentwurfs mit Blick auf die Investitionsaufträge I20200054 und I20200055 (Neubau Sportplatz Wandhofen) sowie I20190007 (Verkehrsleitsystem) näher erläutern. Sportarena Wandhofen Die Grundsatzfragen, die bei dem Beschluss über das städtische Gesamtkonzept Schützenhof in 11/2018 aufgeworfen wurden, sind weiterhin ungeklärt, auch die über die finanziellen Auswirkungen der geplanten Investitionen und über die finanzielle Beteiligung der begünstigten Sportvereine. Die geplante Beachvolleyballanlage – unstrittig eine denkbare Bereicherung der städtischen Sportlandschaft. Wir wären dabei, wenn die städtischen Kassen voll wären. Sind sie aber nicht, und selbst für Pflichtaufgaben reicht es nicht – also sollten wir uns bei der Ausweitung im Bereich von freiwilligen Aufgaben zurückhalten. Nebenbemerkung hierzu: Es ist durchaus ergebnisoffen zu diskutieren, ob der vorgesehene Flächenbedarf für eine Beachvolleyballanlage wie vorgesehen vorgehalten werden soll. Die Anzahl der Parkplätze ist überdimensioniert. Selbst beim Wechsel zwischen zwei Trainingszeiten auf beiden Plätzen benötigen insgesamt 4 Mannschaften Platz im Umkleidebereich, da sind eher weniger als 80 Personen „in Umlauf“. Selbst wenn diese alle mit je eigenem Pkw anreisen würden, wären die Parkplätze bei weitem nicht belegt. Außerdem sollten wir diese nicht zukunftsfähige Form von Mobilität nicht noch mit einem solchen Flächenangebot fördern. Der Leistungsumfang im Hochbau ist mehr als schwammig definiert: Wie viele Tribünenplätze sind geplant? Welche Abmessungen haben die beiden Räume „großer Vereinsraum“ und „großer Gruppenraum mit angrenzender Gastronomie“? Welchen Nutzungszweck sollen sie erfüllen – für welche Nutzer? Die Investitionsentscheidung über 6 Millionen Euro beruht auf 2 Powerpointpräsentationen und den knappen Erläuterungen im Interaktiven Haushalt IKVS. Darin finden sich Formulierungen wie „… Zuschauertribüne mit zurzeit unbekannten Abmessungen beabsichtigt“, „… ausgestattet werden soll“, „… wird mit angedacht“, „ … soll es geben“. Als Grundlage einer solchen großen Investition ist das völlig unzureichend. Eine der Kernaufgaben des Rats, nämlich die Kontrolle der städtischen Finanzen, kann auf dieser Grundlage nicht funktionieren. Ließen wir den HH-Entwurf auf dieser mehr als dünnen Grundlage passieren, sollten wir – jeder für sich – ernsthaft überlegen, konsequenterweise unser Ratsmandat abzugeben. Ich stelle mir nur eine entsprechende Nachfrage des Rechnungshofs vor – oder die denkbaren Nachfragen aus der Bürgerschaft, deren Vertreter wir alle sind. Eine finanzielle Beteiligung der Vereine VfL Schwerte und TuS Wandhofen an der neuen Sportanlage ist trotz Nachfrage weiterhin nicht vorgesehen. Das widerspricht den Grundsätzen der sparsamen HH-Führung, es widerspricht der Praxis bezogen auf die Sportplätze Geisecke und Ergste. Dort hat es – für den großen Verein SV Eintracht Ergste – bei der Anlage der Kunstrasenfläche eine finanzielle Beteiligung der Stadt in Höhe von 141 T€ gegeben, bei Gesamtkosten in Höhe von 412 T€. Das bedeutet einen Eigenanteil des Vereins in Höhe von fast 300 T€. Es widerspricht auch den Regelungen des gültigen Nutzungsvertrages des VfL Schwerte über die Sportanlage Schützenhof auf dem dortigen städtischen Grundstück. Die Verwaltungsspitze nimmt in ihren Ausführungen zu diesem gültigen Vertrag keinerlei Bezug. Das gesamte Vorhaben trägt angesichts des unklar definierten Leistungsumfangs und der unbekannten Aufwendungen für die Beseitigung der Altlasten unter der Schützenhoffläche ein erhebliches Risiko für die folgenden städtischen Haushalte. Da ist angesichts der vielen anstehenden pflichtiger Aufgaben nicht zu vertreten, dass hier ein „Rundum-sorglos-Paket mit Überausstattung der nutznießenden Vereine“ geschnürt werden soll. Verkehrsleitsystem Die geplante Investition in Höhe von immerhin 2 Millionen € weckt Erwartungen, die absehbar nicht eingelöst werden können. Sie lebt also insbesondere von dem Wunsch, „es möge besser werden“. Das seit Jahren zu beobachtende Verhältnis von Angebot an Stellplätzen und der Nachfrage danach lässt vermuten, dass der Steuerungsspielraum – egal wie viel „intelligente“ Steuerung eingesetzt wird – eher gering ist. Vielleicht liegt das Problem schlicht darin, dass zu viele Menschen Stellfläche für ihr Auto in einer „zu engen“ Stadt beanspruchen. Sollen wir die Innenstadt deswegen „weiter“ machen? Welche Flächen sollten wir denn leerräumen? Nicht einmal ein Wirkungsnachweis eines Verkehrsleitsystems liegt bisher vor. Dafür wäre eine Verkehrssimulation durchaus ein Hilfsmittel – vor Entscheidung über Investitionen in der genannten Höhe. Ich möchte erinnern an die entsprechenden Untersuchungen bei der Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes und die diesbezügliche Verkehrssimulation der Kreuzung „Bahnhofsstraße – Karl-Gerharts-Straße – Holzener Weg“. Trotz hohen Planungsaufwandes konnte hier nur eine mittlere „Verkehrsfluss-qualität“ erreicht werden. Warum sollte das bei anderen ebenfalls hochgradig beanspruchten Knotenpunkten anders sein? Diese Maßnahme würde mit hohem finanziellem Aufwand die über Jahre entstandene ungleiche Verteilung von Raum und Investitionen zugunsten des motorisierten Individualverkehrs und damit untrennbar verbunden zulasten der anderen Verkehrsteilnehmer weiter zementieren. Zum Vergleich sei genannt, dass die im Doppelhaushalt 2018/19 vorgesehenen Investitionen von jährlich 30 T€ in Fahrradständer und Fahrradabstellanlagen bisher nicht umgesetzt worden sind. Soweit zur Gewichtung dieser beiden „Verkehrsträger“ in Zeichen von Klimaschutz- und Mobilitätskonzept. Beide Konzepte sind beschlossene und weiterhin gültige Pläne unserer Stadt. Ich fasse zusammen: Wir geben zu viel Geld aus, wir geben es z.T. an den falschen Stellen aus und wir vernachlässigen gleichzeitig wichtige Bereiche der städtischen Daseins- und Zukunftsvorsorge. In der Gesamtgewichtung dieser Argumente müssen wir daher den vorgelegten Haushaltsentwurf ablehnen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.