Klima.Küche.Kanzler. 18. November 202418. November 2024 Bundesdelegiertenkonferenz Bündnis 90/Die Grünen Wiesbaden, 15. – 17.11.2024 Von Marco Sorg Drei Tage wurde auf der Bundesdelegierten-Konferenz von Bündnis 90/Die Grünen in Wiesbaden intensiv verhandelt: Das Team vom Kreisverband Unna war mit Silke Lenkeit, Regina Ranft, Barbara Stellmacher, Hermann Strahl und mir dabei. Vor Ort war auch unser Bundestagsabgeordneter Michael Sacher, mit dem wir uns bei unseren Entscheidungen beraten haben. Mit neuem Spitzenpersonal starten wir in drei Monate Bundestagswahlkampf. Für ein Land, in dem alle genug haben und in dem niemand Angst haben muss. Für eine Gesellschaft, die Vielfalt schätzt und Diskriminierungen bekämpft. Für eine Wirtschaft, die mit nachhaltiger Energie das Klima schützt. Für eine Welt, in der die Kräfte für den Frieden stärker sind als die Kriegstreiber. Für eine Politik, die das Gespräch sucht. Am Küchentisch hat es begonnen: Mit unserem Kanzler-Kandidaten Robert Habeck wollen wir es weitertragen. Die beiden neu gewählten Sprecher:innen der Bundespartei, Franziska Brantner und Felix Banaszak, haben uns mit starken Vorstellungsreden überzeugt und wurden mit 76% (Franziska) bzw. 93% der Stimmen (Felix) gewählt. In der Aussprache habe ich Felix als früheren NRW-Sprecher die Frage gestellt, was er dafür tun wolle, dass das Ruhrgebiet genauso attraktiv wird wie Berlin. Er antwortete mit dem Satz: „Berlin kann jeder, Duisburg muss man wollen“ – und ergänzte, dass es drauf ankomme, mit gezielten Investitionen vergleichbare Lebensbedingungen im ganzen Land herzustellen. Klimaschutz – jetzt erst recht Morgens sind wir mit Trump aufgewacht und abends mit dem Ende der Ampel ins Bett gegangen: Die Ereignisse des 06.11.2024 und deren Konsequenzen beeinflussten maßgeblich den Ablauf des Parteitags: Satzungsfragen wurden zurückgestellt, der Blick auf die kommenden 100 Tage bis zur vorgezogenen Bundestagswahl standen im Zentrum. Trumps Ankündigung, aus dem Pariser Klima-Abkommen auszutreten, muss zu mehr gemeinsamen europäischen Engagement beim Green New Deal führen: Darin waren sich die Redner: innen einig. Die Bilanz der Klimapolitik in der Ampel-Koalition wurde positiv eingeschätzt: Selbst Luisa Neubauer, die ansonsten mit Kritik nicht zimperlich ist, betonte, dass in den letzten drei Jahren mehr Klimaschutz umgesetzt wurde als jemals zuvor. Es wurde die Energiewende vorangetrieben, die Abhängigkeit von Gas reduziert, eine Gebäudeenergie-Gesetz auf den Weg gebracht und das Deutschlandticket eingeführt. Damit ist ein Anfang gemacht, den wir Grünen in der künftigen Bundesregierung fortsetzen wollen. Franziska Brantner sagte: „Wir haben den Strom sauber gemacht, jetzt machen wir ihn billig.“ Unser Wohlstand wird in Zukunft nachhaltig sein, ansonsten werden ihn verlieren. Robert Habeck betonte, dass die nachhaltige Transformation der Wirtschaft nicht die Ursache der wirtschaftlichen Krise sei, sondern eine Antwort darauf. Kredit für die Zukunft Finanzpolitisch hat sich die Bundesdelegierten-Konferenz nicht für eine Abschaffung der Schuldenbremse ausgesprochen, sondern für eine Reform. Es geht darum, Kredite zu ermöglichen, vor allem für Investitionen in den Klimaschutz, zur Sanierung der maroden Infrastruktur, für die Verteidigung, um die Zukunft und die Freiheit der kommenden Generationen zu sichern. „Es bringt nichts, den Gürtel enger zu schnallen, wenn die Hose fehlt“, sagte Franziska Brantner. Robert Habeck betonte, er sei „kein Fan von Schulden“. Auch auf der Einnahmenseite gibt es aus grüner Sicht Handlungsbedarf: Die Bundesdelegierten-Konferenz hat sich für eine höhere Besteuerung von Erbschaften, Vermögen und hohen Gewinnen ausgesprochen. Politik des Füreinander-da-Seins Mit einer veränderten Fiskal-Politik soll die Schere zwischen arm und reich verringert werden: In Deutschland ist sie im Vergleich zu anderen Ländern besonders groß. Zusätzliche Lasten, die die Transformation mit sich bringt, sollen sozial ausgeglichen werden: Deshalb wird gefordert, das angekündigte Klimageld so schnell wie möglich einzuführen und es einkommensabhängig zu gestalten. Ricarda Lang zitierte in ihrer Abschiedsrede als Vorsitzende ihre Mutter: „Der Wohlstand einer Gesellschaft bemisst sich nicht daran, dass manche unheimlich viel haben, sondern daran, dass alle genug zum Leben haben.“ Es ginge, um eine „Politik des Füreinander-da-Seins“. Frauen, Faschismus, Frieden, Flüchtlinge Zahlreiche weitere Themen wurden auf der Bundesdelegierten-Konferenz verhandelt, die hier nur schlaglichtartig benannt werden können. Robert Habeck monierte Versäumnisse in der Gleichstellung von Frauen. Die zu geringe Repräsentanz in den politischen Institutionen; den eklatanten Beschäftigungsrückgang in der Familienphase, der erheblich höher sei als z.B. in skandinavischen Ländern; die Frage der Selbstbestimmung und des Paragraphen 218. Hier ist verstärktes Engagement gefragt, denn der Blick in andere Länder zeige, dass auch rückwärtsgewandte Entwicklungen möglich sind. Das Erstarken des Rechtspopulismus wurde als schwere Gefährdung der Demokratie gewertet. Über die sogenannten sozialen Netzwerke wird Hass und Hetze verbreitet, das Land schlecht geredet – je aggressiver und lauter, umso erfolgreicher. Die interessegeleiteten Algorithmen müssen transparent gemacht werden, um die Meinungsfreiheit zu schützen. Robert Habeck: „Die Freiheit ist immer ein politischer Arbeitsauftrag: Sie steht unter Druck wie selten zuvor.“ Viele Menschen in Deutschland haben existenzielle Ängste: Es geht darum, diese wahrzunehmen und zu verringern. Denn „Angst ist das Fundament der Diktatur“ (Omid Nouripour). Die Bundesdelegierten-Konferenz sprach sich für die parteiübergreifende Initiative zu einem AfD-Verbot aus. Es gab Diskussionen um die angemessene Unterstützung der Ukraine, um zusätzliche Waffenlieferungen und um Wege zum Frieden. Trotz kritischer Stimmen war die Mehrheit klar für eine weitere Unterstützung der Ukraine mit Waffen und für die Bereitstellung aller erforderlichen Mitteln. Der Gastredner Wolfgang Ischinger, der frühere Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz, bescheinigte in seiner Laudatio für Omid Nouripour, die Grünen seien „in der Regierungskoalition die Partei gewesen, auf die man sich immer verlassen konnte, wenn es um die Unterstützung der Ukraine geht.“ Beim Thema Migration gibt es in der Partei Unbehagen darüber, dass grüne Regierungsmitglieder die Verschärfung der europäischen Asylpolitik mittragen: Nicht immer sei der ausgehandelte Kompromiss von der eigenen Position ausreichend zu unterscheiden gewesen. Erik Marquardt, Experte für Flüchtlingspolitik, hob hervor, dass die unbefriedigende Situation nicht mit einem Scheitern grüner Migrationspolitik zu tun habe, sondern damit, dass zu wenig grüne Migrationspolitik umgesetzt werde. Er legte einen differenzierten Antrag vor, in der Leitlinien einer humanen Flüchtlingspolitik dargestellt wurden: Mit 175 Änderungsanträgen gehörte dieser Antrag zu den meistbeachteten – und wurde bei wenigen Enthaltungen einstimmig angenommen. Erik Marquardt: „Wir sind ein Einwanderungsland. Wir können stolz darauf sein. Lasst es uns gestalten.“ Team Veränderung Wolfgang Ischinger bescheinigte den Grünen, „die einzige Partei zu sein, die in den letzten Jahrzehnten auf Veränderung gesetzt habe“: Sie habe in dieser Zeit „einen weiten Weg zurückgelegt, weiter als andere Parteien.“ Für Veränderung tritt die Partei auch in diesem Wahlkampf an: Um welche Veränderungen es geht, hat sich auf der Bundesdelegierten-Konferenz klar abgezeichnet – und wird auf einem Programm-Parteitag am 26.01.2024 formuliert werden. Dabei treten wir nicht „als Habeckisten oder Bündnis Robert Habeck“ an (Robert Habeck), sondern als Team. Seit dem 06.11.2024 haben wir 11.000 zusätzliche Mitglieder gewonnen: Das macht uns Mut für den Winterwahlkampf, für den wir seit über 40 Jahren in der Partei stricken (Franziska Brantner).